Finaaaale! Wenn es schon der FCB nicht geschafft hat, vielleicht schafft es Roman Lob, den ersten Platz zu holen? Man wird sehen… Zum Finale in Aserbaidschan grüßen weißgekleidete Jungfrauen und atemberaubende tanzende Derwische auf der großen Bühne – eine bayerische Firma hat die festliche Location in Baku gebaut, und irgendwie erinnert das Ganze ein bisschen an die Allianz-Arena in München.
20.000 Zuschauer in der Halle, 120 Millionen Zuschauer „all around the World“ bis nach Down Under schauen zu, als die Vorjahressieger „Running scared“, den Siegersong von Düsseldorf, mit einem Sylvie-van-der-Vaart-Klon am Mikrofon präsentieren.
Den Auftakt macht England mit einem alten Bekannten: Haudegen Engelbert Humperdinck, stolze 76 Jahre alt, präsentiert seinen Song „Love will set you free“ mit gewohntem Pathos und ganz in einen schwarzen Anzug gekleidet. Mit der zarten Instrumentierung und Konzentration wirkt das wie der traditionelle Old Style der früheren ESC-Veranstaltungen. Angenehm fürs Auge ist auch der fehlende Einsatz von Special Effects; eine traumhafte Kulisse in blau-schwarz bis rot und einem Tanzpaar reicht dem Mann.
Als nächstes kommt Ungarn an die Reihe. „Sound of our Hearts“ heißt der Titel der Compact Disco – gefälliger Pop einer eher jungen Band, ebenfalls in Schwarz gekleidet. Stimmlich ist das lange nicht Engelberts Niveau, doch auch hier kann man durchaus hinhören, ohne sich von übermäßigen Effekten ablenken lassen zu müssen.
Die 25-jährige Roma Rona Nishliu tritt für Albanien an. Im futuristischen Gewand und leidender Miene (erinnert mich an Zahnschmerzen) trägt sie ihr Stück mit viel Gefühl vor, windet ihre Stimme immer höher. Eine erstklassige gesangliche Leistung; wer unter Kopfschmerz leidet, sollte allerdings den Fernseher leiser drehen.
Für Litauen singt Donny Montell „Love is blind“ mit Augenbinde. Das erinnert doch sofort an Joana Zimmer bei „Let’s dance“. Der Song ist eine Mischung aus Discostampf und Ballade. Irgendwie alles schon einmal gehört, aber maximal Mittelfeld.
Auch Bosnien-Herzegowina schickt eine Ballade samt blonder Sängerin am Klavier ins Rennen: Maya Sar mit „Korake Ti Znam“.Allgemein ist bislang festzustellen, dass die klassischen Qualitäten und das Singen in Landessprache wieder mehr in Mode zu kommen scheinen.
Damit ist es bei Auftritt Nummer 6 allerdings vorbei. Für Russland gehen die singenden Omas Buranowskije Babuschki mit „Party For Everybody“ an den Start. Volkstümlich, mit ganz offensichtlich viel Spaß und einem nicht gerade einfallsreichen Titel, dem noch schnell ein paar volkstümliche Töne auf den Discosound gepappt wurden, werden sie vermutlich keine Chance auf Sieg haben, doch immerhin mit ihrem Auftritt in die Annalen des ESC eingehen.
Der Beitrag aus Island, „Never forget“ von Greta Salóme & Jónsi, erinnert stark an die Neo-Folk-Balladen von den britischen Inseln, doch das macht schon was her: Die schöne Greta im langen, (natürlich) schwarzen Abendkleid an der Geige und Jónsi im (natürlich ebenfalls schwarzen) Anzug, geheimnisvoll und leidenschaftlich wie ein heißer Tanz auf dem eiskalten Vulkan. Ein Auftritt, der Spaß macht.
Erst 18 ist Ivi Adamou, entsprechend belanglos der Titel des Songs, den sie für Zypern präsentiert: „La La Love“ könnte aus der Feder von Enrique Iglesias oder DJ Bobo stammen. Oder tut er das etwa auch? 😉
Im Bühnenbild von Frankreichs Beitrag „Echo (You and I) der Sängerin Anggun dürfen ein paar Fabian-Hambüchen-Doubles herumturnen; trainierte Männer in engen Turnhosen und mit nacktem Oberkörper kommen ja sicher bei vielen Damen am Schirm gut an – und erinnern ein bisschen an die 80er-Jahre-Verfilmung von „Flash Gordon“. Dessen Soundtrack von Queen war aber ein anderes Kaliber. Naja, ich will nicht motzen; Mme Anggun macht das nicht schlecht.
Italiens Nina Zilli erinnert äußerlich an Amy Winehouse und hat glücklicherweise auch eine recht passable, um nicht zu sagen, gute Stimme dazu, mit der sie „L’Amore È Femmina (Out Of Love)“ zum Besten gibt. Mit einer Spur Bigband-Sound und einer gehörigen Portion Swing ist das Stück zwar etwas hektisch geraten, aber schmissig zu hören. Besser als schon wieder eine Ballade.
Ott Lepland singt für Estland die Ballade „Kuula“, die anfänglich etwas einschläfernd wirkt. Doch in den Höhen treibt der Sänger, Typ Student, den Song leidenschaftlich in die Höhe und lässt mit beachtlicher Ausdauer in den hohen Tönen die kleinen Härchen am Unterarm ein paar Sit-Ups absolvieren, sprich: Die Gänsehaut ist da.
Norwegen schickt einen Crossover aus Speedpop und Techno ins Rennen: Der 24-jährigeTooji bietet ESC-Spaß für die jüngeren Zuschauer mit seinem Disco-Kracher „Stay“. Gut zum Wachwerden und Abtanzen.
Auf Startnummer 13 darf der Gastgeber Aserbaidschan ins Rennen gehen. Der schönen Sabina Babajewa gebührt die Ehre, den Titel des ESC mit „When The Music Dies“ zu verteidigen. Wie eine Märchenfee auf einem Fantasy-Plakat steht sie im Spotlight und singt – natürlich – eine Ballade, dieses Mal wieder eine von der leidenden Sorte.
Rumänien setzt mit Mandinga und dem Stück „Zaleilah“ auf einen Soundmix á la Michel Telo, fröhlich gekreuzt mit Dudelsack und zumbatauglicher Freizeitmucke. Nix, was im Gedächtnis haften bleiben würde. Und alles schon gehört, irgendwie. Genau wie viele Stücke an diesem Abend.
Dänemark bietet mit der jungen Soluna Samay ein frisches, unverbrauchtes Gesicht mit guter Stimme und Gitarre um den Hals. Auch die Begleitband ist einen zweiten Blick wert – Ladies am Schlagzeug sind auch 2012 eher noch die Ausnahme. „Should’ve known better“ ist ein gefälliges Pop-Stück, das allerdings auch „irgend schon mal da gewesen“ ist.
Eleftheria Eleftheriou serviert für Griechenland „Aphrodisiac“ – so ihr Song. Kurzer Rock, wehende Haare, mäßiger Sound, belangloser Text… könnte in einer Strandbar auf Malle laufen, aber für einen Sieg beim ESC dürfte das sicherlich nicht reichen. Die männlichen Zuschauer dürfen sich immerhin an den wohlgeformten Beinen der Sängerin erfreuen.
Es folgt der große Favorit. Schwedens Sängerin Loreen konnte schon im Vorfeld mit ihrem Titel „Euphoria“ abräumen; die Halle tobt schon vor Beginn der Nummer. Sicher zu Recht, denn die Kombination aus klarer, starker Stimme und beeindruckender Körpersprache weiß zu begeistern. Ein wenig erinnert Loreen vom Gebaren an die junge Kate Bush, und das will hier als Kompliment verstanden sein.
Ein jüdischer Türke? Das gibt es, und die Türkei hat Can Bonomo mit „Love Me Back“ nach Baku geschickt, um den Titel zu holen. Liebenswert-schlaksig tanzt Can über die Bühne, als wäre er der Enkel von Gene Kelly und würde für die Neuaufführung von „Heut‘ geh’n wir bummeln“ proben. Ob die wilde Mischung aus Balkan und Pop bei den Zuschauern ankommt, ist allerdings eher fraglich.
Pastora Soler singt für Spanien die Ballade „Quédate Conmigo (Stay With Me)“. Das geht sehr getragen und zart los, doch die gute Pastora hat mehr drauf und zeigt, dass sie über eine extrem kraftvolle Stimme verfügt. Wer auf Balladen steht, wird es lieben.
Doch nun ist es soweit: Für Deutschland wird nun Roman Lob antreten. „Standing still“ heißt sein Song, und jetzt heißt es Daumendrücken, dass sein Titel auch im internationalen Raum so gut ankommt wie daheim. Gewinnend lächelt Roman in die Kamera, wirkt überzeugend und singt souverän – da fallen die leichten Schwächen in den Tiefen nicht ganz so sehr auf. Eine Top-Ten-Platzierung peilt Roman Lob an, und das könnte durchaus klappen.
Auch Malta hat einen Mann geschickt: Kurt Calleja singt „This Is The Night“, wieder ein fröhlich-schnelles Stück, gut gesungen, aber mit vielen Textwiederholungen.
Für einen winzig kleinen Augenblick dachte ich, da hätte jemand Christine Neubauer auf die Bühne geschickt. Doch halt – Mazedonien wird von der Sängerin Kaliopi vertreten, die „Crno I Belo“ zum Besten gibt. Eine ungewöhnliche Stimme und eine ungewöhnliche Frau. Der Anfang ist etwas zittrig-baladesk, doch dann nimmt der Song an Fahrt auf und macht Spaß.
Irland schickt zum zweiten Mal das schräge Duo von Jedward ins Rennen, die mit „Waterline“ punkten wollen. Das futuristisch anmutende Duo macht ohne Frage Stimmung. Gefällt mir besser als ihr letzter Auftritt beim ESC.
„Nije Ljubav Stvar“ von Eljko Joksimovic aus Serbien, hat einen traumhaft klassischen Auftakt. Da kann der Sänger alles geben, im Mittelpunkt stehen die Instrumente, die mit viel leidenschaftlichem Balkan-Flair inszeniert werden.
Ob die Ukraine mit ihrem Beitrag schon mal zur EM einladen will? „Be My Guest“ wird von der stimmgewaltigen Gaitana auf die Tina-Turner-Art präsentiert. Was den Background angeht, muss bemerkt werden: Röcke an Männern können durchaus gut aussehen – aber bitte nicht in Baby-Pink und mit Fransen. Dann schon lieber Kilt und haarige Beine á la Sean Connery.
Den Abschluss macht Moldaviens Pasha Parfeny mit „Lautar“, einer schwungvollen Kabarett-tauglichen Nummer mit reichlichem Fiddle-Einsatz.
Das war’s. Jetzt geht es ans Eingemachte, es wird abgestimmt. Die Ergebnisse könnt Ihr hier bei Digijunkies zeitnah nachlesen. Viel Spaß!
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