Dass Labyrinthe einen das Fürchten lehren können, wissen wir ja schon, seit Jack Nicholson in „Shining“ mit irrem Blick und einer Axt bewaffnet seinen Film-Sohn im tiefsten Winter durch mannshohe Hecken gejagt hat. Auch im kostenlosen „Where Am I“ sorgt ein Wirrwarr aus Gängen für jede Menge Gänsehaut.
Das Spiel stammt von Parsec Productions, die uns ja schon mit „Slender – The Eight Pages“ mehr als nur einen gewaltigen Schrecken eingejagt haben. Doch in „Where Am I“ wird man nicht von einem gut gekleideten, aber leider gesichtslosen Gegner verfolgt, sondern irrt durch ein Labyrinth, das sich ständig verändert. Soll heißen: Der Durchgang, durch den man gerade noch von einem Raum in den nächsten gegangen ist, kann direkt hinter einem verschwinden – und in einer anderen Wand, durch die es beim ersten Hinsehen kein Durchkommen gab, hat nach einem kurzen Moment des Umsehens plötzlich doch einen Durchgang.
Ein entscheidener Faktor der dichten Atmosphäre von „Where Am I“ ist die Soundkulisse. Ein opulenter Soundtrack erwartet einen hier nicht, im Gegenteil.Ein bedrohliches, leises Rauschen und Wummern im Hintergrund, während man sich langsam von Raum zu Raum vor tastet und sonst nur die eigenen Schritte die Stille durchbrechen. Später dann eingestreute Atemgeräusche, Klaviernoten oder etwas, das an ein verzerrtes Kinderlachen erinnert – und das, während man immer damit rechnet, dass hinter der nächsten Ecke plötzlich etwas hervor springt oder tatsächlich einige Räume weiter ein schwarzer, undefinierbarer Schatten durchs Bild huscht. Der Horror durch Minimalismus funktioniert ausgezeichnet.
Das gilt auch für die Grafik: Bei einer Schönheitskonkurrenz würde „Where Am I“ wohl nicht einmal den sprichwörtlichen Blumentopf gewinnen, sondern höchstens einen Gutschein für den Besuch beim plastischen Chirurgen. Gefliester Boden und mit dunklen Linien durchzogene Wände in dunklen Brauntönen, schwache Lichter an der Decke – mehr gibt es in dem Slender-Nachfolger, der innerhalb von nur 48 Stunden entstanden ist, nicht zu sehen. Und selbst diese wenigen Details wird einem im fortschreitenden Spielverlauf noch genommen. Nach einigen Räumen setzen Bildfehler ein, die an schlechten Fernsehempfang erinnern. Je weiter man sich in dem Labyrinth verirrt, umso schlechter wird die Sicht, weshalb man gezwungen ist, näher an den Wänden entlang zu gehen, um einen möglichen Durchgang in den nächsten Raum zu finden.
Und dann ist alles ganz schnell vorbei. Ein Quietschen, das an ein altes 56k-Modem erinnert, ist genauso zum Fürchten wie das, was dem Spiel schließlich – oder endlich? – ein Ende setzt. Zurück bleibt ein Spieler mit erhöhtem Puls und Gänsehaut.
Einmal mehr sprechen wir die Empfehlung aus, dass „Where Am I“ keinesfalls von Jugendlichen unter 16 Jahren gespielt werden sollte. Wer sich in das Labyrinth wagen möchte, kann „Where Am I“ ganz bequem im Browser auf der Homepage von Parsec Productions spielen, es gibt aber auch eine höher auflösende Version zum kostenlosen Download. Die Links gibt es hier bei uns.
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