90 Minute: beim Stand von 0:1 verzieht Zlatan Ibrahimovic alleine vor dem Tor und aus nächster Nähe. Der Ball geht gefühlt kilometerweit daneben. Der gegnerische Keeper führt den Abschlag schnell aus, der Ball landet bei Kanté, der nun einen schnellen Steilpass ins Zentrum spielt. Der Ball wird an der Strafraumgrenze kurz von Dele Alli angenommen, der von dort quasi mehr oder weniger Volley auf mein Tor zimmert und damit den 0:2 Endstand besiegelt.
Das Schlimmste daran: Ich wusste eigentlich schon seit Beginn der 2. Halbzeit, dass es so oder zumindest so ähnlich passieren würde. Woher? Das werde ich euch in den folgenden Zeilen ein wenig näherbringen.
Meine Beziehung zu FIFA begann im Jahre 1993. Damals erschien der allererste Teil der Serie, damals noch „FIFA International Soccer“ genannt. Und ob man es glaubt oder nicht (für mich heute absolut unvorstellbar), aber diesen FIFA-Teil habe ich damals auf dem PC mit der Tastatur gezockt.
Beim Gaming in Shootern hat sich dies ja heute echt etabliert – aber FIFA mit nem Keyboard?
Anyway….soll ja tatsächlich auch heute noch grossartige Tastaturleros geben, die hervorragend mit WASD Fussball spielen.
Jedenfalls war das damals ganz nett, aber als Besitzer eines SNES sind mein Bruder und ich letztlich doch länger an „International Superstar Soccer“ hängengeblieben und auf dem Amiga sind wir einfach bei „Kick Off 2“ (kennt das noch jemand?) geblieben und später zur SEGA-Portierung „Sensible World Of Soccer“ auf den MS-DOS PC gewechselt.
Kick Off 2, Amiga 500, 1989
International Superstar Soccer, SNES, 1995
Auch wenn es seit 1993 FIFA gab, so sind wir doch erst so richtig 1996 mit „FIFA Soccer 96“ auf der Playstation ins EA Fussballgeschehen eingestiegen.
Das liest sich hier nun, als wenn mein Brüderle und ich zu den absoluten Pro’s und Pionieren in Sachen Fussballsimulationen zählen (wir haben auch so ziemlich jeden Manager gezockt, beginnen mit „Bundesliga Manager Professional“), aber dem ist bei weitem nicht so.
Bundesliga Manager Professional, PC, 1990 (wer erinnert sich an den Geldtrick?)
Wir sind halt mit Konsolen, dem Amiga und dem C64, sowie später mit den ersten DOS-Rechnern gross geworden und haben dementsprechend all diese Games zumindest angespielt. Aber wir haben immer auch andere Hobbies gehabt, so dass unsere Gaming-Skills doch eher bescheiden sind, auch wenn die laaaaaange Zeitspanne was anderes vermuten lässt.
Aber Thema Zeit: Mein Bart wird grau, ich bin nicht mehr der Jüngste und somit sicherlich am Joypad reaktionstechnisch nicht mehr der Schnellste.
Das erwähne ich, weil es bei der nachstehenden Betrachtung durchaus von Relevanz ist.
Ich gebe also ganz offen zu: Ich bin kein Buttonheld und auch mein Gamerscore ist wohl niedriger als er es sein könnte, ich bin also sicher nicht der allerstärkste Gegner auf den man in einem Online-Match treffen kann.
Online habe ich FIFA – nach gaaaanz langer FIFA-Abstinenz – erstmals 2014 gespielt. Da habe ich, wieder am PC aber diesmal mit gefaktem Playstation-Pad für den PC, mein allerallererstes Fifa Ultimate Team aufgebaut. Und eigentlich habe ich in der 2014er-FUT-Saison weder was kapiert, noch habe ich den Aufstieg aus Liga 10 geschafft. Eigentlich habe ich immer und immer wieder gespielt, aber nur verloren.
Trotzdem hat mich der Modus sofort angefickt: Ne schmale Mischung aus Spieler und Manager, wie geil. Endlich eigene Mannschaften bauen, Spieler kaufen. Genau mein Ding.
Da war mir das Verlieren erstmal egal.
Zur Saison 2015 wechselte ich dann auf die XBOX One und habe eigentlich seitdem täglich 2-3 Partien gespielt und sogar knapp 300 Euro an echtem Geld in mein Team investiert (bescheuert, ne?).
Damit habe ich nun endlich die Herleitung geschafft….puuhhh schwer 🙂 Ne Menge Text, nur um mich verstehen zu wollen.
Das FIFA-Momentum, der Panini-Tütchen-Effekt und der bisher nicht entfachte Blutdurst
Das perfide an FUT und mittlerweile vielen anderen Games: Man kann mit Echtgeld nachhelfen oder sich Vorteile erkaufen. EA Sports hat das aber bei FIFA Ultimate nahezu grandios gemacht:
Man kann FIFA Coins kaufen mit denen man sich wiederum sogenannte Packs kaufen kann. Diese Packs sind in gewisser Weise mit den PANINI-Tütchen vergleichbar, die noch heute abertausende Kinder in ihren Bann ziehen.
Man kauft sich Packs, die zwischen 1-5 Euro kosten kann (je nachdem welches man kaufen mag und wie „wertvoll“ es eben ist). Diese Packs kann man dann virtuell öffnen und darin befinden sich Spieler oder Verträge oder Verbesserungskarten, die man für seine Mannschaft einsetzen kann (oder auch verkaufen kann).
Es besteht dabei auch die Möglichkeit sehr, sehr seltene Karten zu bekommen – erinnert ihr euch noch an den Moment, wenn ihr eine PANINI-Tüte aufgemacht abt und da war einer dieser extrem seltenen Glitzersticker drin?
Na….habt ihr euch zurückgebeamt? Wisst ihr wieder wie sich das anfühlt?? So fühlt sich das auch an, wenn man das wirklich seltene Glück hat einen sehr seltenen Spieler zu bekommen.
Aber es funktioniert: Selbst ich, der damals als Kind das Prinzip PANINI zwar grundsätzlich verstanden hat (Geld ausse Tasche ziehen), hat sich hinreissen lassen nahezu jeden Pfennig zum Kiosk zu schleppen um neue Päckchen zu holen.
Und so lasse ich mich heute auch immer mal wieder hinreissen Geld in Packs zu stecken, damit ich geilere Spieler bekomme.
Fairerweise muss man dazu sagen, dass es tatsächlich auch möglich ist geile Spieler zu bekommen ohne echtes Geld zu investieren: Wer viel Zeit und Lust hat, kann sich in den Transfermarkt einfuchsen und mit bestimmten Methoden (Beispiel: überteuert Verkaufen, siehe hier) auch viel Geld machen. In der aktuellen Saison 2017 haben es viele deutsche Spieler zu FIFA-Multimillionären gebracht. Und auch für gewonnene Spiele, Pokale und Saisonen gibt es FIFA-Coins, die einzig dem Aufbau des Teams und der eigenen Truppe dienen.
Aber: Das zu erreichende Salär ist bei Spielen und Pokalen reichlich begrenzt, maximal 500 Coins erhält man, wenn hoch gewinnt, keine Fehler macht, kein Gegentor usw.
Meistens sind es zwischen 300 – 500 Coins.
Paul Pogba kostet heute, Monate nach Release des Spiels, immer noch knapp 200.000 FIFA Coins (XOne). Selbst als Megaskiller und mit Boni für Pokale und Meisterschaften würde man trotzdem zwischen 200-400 Spiele benötigen um das Geld für Pogba zu haben. Und dann hat man nur EINEN geilen Spieler.
Wer also nicht die Zeit hat soooo viele Spiele zu spielen und wem ebenso der Riecher auf dem Transfermarkt fehlt, der greift dann irgendwann doch zu den Packs. Sonst kommt man ja irgendwie zu nix. EA Sports macht das eben auch sehr schlau….
Die meisten Spieler sind sich nämlich ihrer eigenen Fähigkeiten NICHT wirklich bewusst. Nahezu alle denken, dass sie gut spielen. Kaum jemand gibt zu, dass er die letzten 48 von 50 Spielen verloren hat, weil er sich vielleicht einfach doof anstellt. Nein, nein….jetzt kommt das eigene Ultimate-Team zum Tragen und das der Anderen.
Vor jedem Match bekommt man, wie im Fernsehen, das Team seines Gegners gezeigt. Nicht selten treffen Teams mit einer 70er Stärke auf deutlich stärkere Teams. Verliert man nun immer wieder mit seinem mittelmässigen (aber eben bezahlbaren Team) gegen vermeintlich stärkere Teams, dann zweifelt man nicht an seiner Kompentenz. Man sieht das Team des Gegners (da haben manchmal echt Leute Hammer-Teams) und irgendwie will man das genauso auch.
Die Karten(Spieler) sind also schuld. Sind ja auch Schrottkarten, ich brauch jetzt mal De Bruyne, Pogba und Ibra….dann läufts auch. Und schwupps kauft man Coins, bezahlt via Paypal und EA verdient prächtig.
Nur mal so am Rande: Ich habe mir – kein Witz jetzt – Geld gespart und zum Start der aktuellen Saison FUT17 200€ (in Worten: z w e i h u n d e r t) in Packs investiert und zudem die Special Deluxe Edition mit nochmal weiteren 40 Packs. Ich habe also in dieser Saison me3hr als 150 Packs geöffnet. Und: Ich hatte nur zwei wirklich würdige Spieler. Der Rest war schrott!!!
Ihr erinnert euch? Panini? Was kostete noch mal ein Album, wenn man wirklich ALLES haben wollte?? Ein 2006er Album knapp 400€……
Ich weiss, ich krieg nur scheisse und trotzdem hab ich zum „Team Of The Season“ nochmal Packs gezogen. Ausbeute: 0!
EA ist sich dessen aber durchaus bewusst und natürlich gehört das zum Geschäft, denn umso mehr Päckchen verkauft werden….naja ihr wisst schon.
Aber der „normale“ Mensch hört doch sicher gefrustet auf, wenn er nur verliert und sich eigentlich selten bessere Spieler leisten kann?!
Ganz genau, und auch das weiss EA. Die Zielgruppe der Casual-Gamer will nicht Stunden auf dem Transfermarkt verbringen und wenn die in einem Päckchen nen guten Spieler für ihr Team ziehen, dann wollen sie auch gewinnen. Wäre ja jetzt sicherlich irgendwie scheisse für den Päckchenverkauf von EA, wenn sich rausstellt, das bessere Karten (Spieler) nicht zwangsläufig für bessere Spielskills sorgen.
Die neuen Spieler machen sicherlich was aus, aber eben nicht soooo viel. Ein guter Spieler putzt euch 7:0 weg, wenn er den SCR Altach nimmt und ihr Barcelona…
Heisst also in kurz: Der Casual-Gamer will bei Laune gehalten werden und soll weiter spielen und natürlich soll sich ebenso der Gedanke festigen, dass es sich lohnt in Packs und somit Spieler zu investieren.
Und jetzt betreten wir damit das Reich der Verschwörungstheorien und Halbwahrheiten. Aber eben auch den Teil, der aus harmlosen Familienvätern blutrünstige Monster macht (ja, ich meine mich!).
Das sogenannte, aber nie wirklich komplett bewiesene FIFA-Momentum!
Du verlierst nur und immer wieder und bist eigentlich kurz davor das Joypad und FIFA für immer wegzuschliessen. Und plötzlich, aus heiterem Himmel, werden aus deinen ehemaligen Gurken Weltklasseleute (im besten Fall haste grad n Pack gezogen und ein, zwei neue Spieler im Team??!!). Der Torwart hält alles, deine Spieler rennen um ihr Leben und sind plötzlich schneller als Messi und Ronaldo zusammen (ich überreibe hier bewusst). Gaaaanz so krass ist es nicht, aber teilweise sehr subtil.
Meistens ist es aber weniger so, dass deine eigenen Leute einen Megaboost bekommen, viel mehr verhält sich das gegenerische Team dann oft wie eine von BSE befallene Kuh: Ibra und Aguero rennen sich gegenseitig um und bleiben liegen, der Torwart schiesst beim Abstoss den Stürmer an, der den Ball berührt und ins Tor lenkt, während der Keeper blöd guckt.
Ich habe das selbst auch oft erlebt in Situationen, in denen ich dann der Nutzniesser bin: Ich gewinne völlig unehrbar und unverdient. Aber ich gewinne einfach, ohne wirklich was dafür getan zu haben. Oft zu sehen in den Statistiken nach dem Spiel: 24:1 Torschüsse, aber der eine beim Gegner ging rein, während die 24 auf der anderen Seite irgendwo landen.
Für beide Seiten echt doof, denn mit einem echten „Fight“ hat das kaum noch was zu tun.
Den meisten Spielern ist das so kaum bewusst. Viele sind eben „Gelegenheitsspieler“, die ab und an mal ne Runde zocken. Wenn man FIFA aber täglich spielt (ich habe mittlerweile weit mehr also 600 Partien gezockt in FUT17 – und ich bin da echt noch ne kleine Leuchte), dann fallen einem solche Sachen auf. Man ist eben deutlich öfter Betroffener oder Nutzniesser.
Allerdings ist dieses Momentum nicht bewiesen. Niemand hat entsprechende Code-Beweise und natürlich schweigt EA Sports dazu beharrlich (was sollen sie auch sagen?).
Ich weiss nicht, wie das rechtlich aussieht. Heut kann ja jeder quasi für alles irgendwie belangt werden, daher: Ich spekuliere über das Momentum, aber beweisen kann ich es nicht. Bin ich jetzt abmahngeschützt? hahahahaha.
Einige YouTube-Videos zum FIFA-Momentum möchte ich euch nicht vorenthalten, ich bin also eben nicht der Erste und vor allem nicht der einzige Spieler, der so empfindet.
Video: Mirza Jahic FIFA-Youtuber
Und weitere Beispiele siehe unten. Jedoch muss zu allen Videos ehrlicherweise bemerkt werden: Es sind die Meinungen der Spieler. Es ist ein Gefühl. Bewiesen ist leider nichts. Aber Situationen wie in diesen 3 gezeigten Videos kenne ich nur zu gut. Und ich stand oft genug auf beiden Seiten.
Warum will man denn aber nun zum Mörder werden?
Ok, ok….ich hab euch den Schluss vorenthalten. Leute die mich kennen, würden sagen ich bin eine Nervensäge, ich bin zappelig und hektisch und sie würden sagen: Der ist eigentlich immer nett oder lieb. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nich richtig geprügelt (ausser mit meinem Bruder im Kinderzimmer) und ich hab auch noch nie „auf’s Maul“ gekriegt – ich weiss nicht wie sich das anfühlt. Das soll nur deutlicher illustrieren, dass ich echt keiner Fliege was zu Leide tun könnte.
Es sei denn: Ich fahre Auto. Ich weiss nicht wieso, aber im Auto werd ich zum „Wutbürger“….ach Leute, wie oft hab ich mir n‘ Maschinengewehr auf der Motorhaube gewünscht….oder wenigstens (etwas lieber) die Möglichkeit Bananenschalen oder Schildkrötenpanzer zu werfen. Da hört mich aber keiner und letztlich bin ich da wie ein bellender Hund: Die beissen auch nicht. Ich schrei mich in der Fahrerkabine auf Saunatemperatur und Richtung Herzkasper. Aber ich fahre artig schreiend hinterher.
Und ich werd zum Serienpsychopathen wenns um FIFA geht. Ich kann verlieren, echt. Ich hab ca. doppelt so viele Losses wie Wins und nach ner Niederlage in einem geilen Spiel schreib ich meinem Gegner oft und gratuliere zum guten Spiel.
Wenn es aber läuft, wie auch oben in den Videos gezeigt: Man rennt aufs Tor und rennt und rennt und verkackt trotzdem, dann krieg ich echt die Pimpanellen. Ich habe mich mittlerweile soweit im Griff, dass ich das Werfen des Joypads in den Fernseher unterlasse und auch das Pöbeln via Chat ist nicht meine Welt.
In meiner Fantasie aber, zerlege ich mein Gegenüber in Filethappen. Zuerst auf jeden Fall die Scheisshände. Bevor ich den zersäge, will ich seine Hände fressen!!!! Ahhhh!
Ich merke dann, dass manche Netflix-Serien oder TLC-Mörder-Dokus scheinbar nicht so gut fürs Unterbewusstsein sind (ich wollte noch nie Jemandes Hände essen) und das ich FIFA dann besser ausmachen sollte.
Natürlich ist mir aber auch klar, dass sich das nie ändern wird. Ausser irgendjemand findet im dekompilierten Code von FIFA Beweise, dann würde wohl echt ein Sturm losbrechen.
Das wird aber sicher nicht passieren oder man wird sich wiederum rechtlich gegen die Veröffentlichung des Sourcecodes wehren.
Und ich? Ja ich spiele trotzdem weiter, so wie alle anderen auch.
Vermutlich werde ich mich auch nächstes Jahr aufregen. Und das Jahr danach.
Und im Jahr darauf krieg ich davon dann vielleicht echt nen Infarkt. Vom Momentum. Oder beim Autofahren.
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