Im ersten Moment sieht es aus, als hätte Barbie die Bühne erobert: Langes, blondes Haar, ein hübsches Gesicht und schwarzer Minirock – die dänische Singer-/Songwriterin Tina Dico macht auf ihrer Deutschland-Tour Halt im Ulmer Zelt. Sobald die junge Dänin jedoch anfängt, auf ihrer Gitarre zu spielen und zu singen, zerplatzt die Illusion des blonden Engels, denn Tina Dico ist weit mehr als das. Sie beherrscht die tiefen Töne, die an den richtigen Stellen etwas kratzig und rauchig erklingen, genauso wie die hohen – niemals fragil, sondern mit kraftvollem Druck erfüllen sie die Luft im Ulmer Zelt.
Tina Dico ist ein Profi, ebenso wie ihre vierköpfige Band. Jeder Ton sitzt, die Dramaturgie und Instrumentalisierung ihrer Songs ist perfekt berechnet. Zum Eingrooven wählen die fünf Musiker eher die sanften Töne; Pop-Balladen, Midtempo-Nummern und manchmal auch ein kleiner Schuss karibikleichter Reggae bringt das Publikum im Zelt in Schwung. Bei "Sacre Coeur", einem zugleich fröhlichen und melancholischen Stück über schwere Entscheidungen im Leben, gibt es den ersten großen Beifall des Abends – es wird nicht der letzte sein. Niemals verliert die blonde Tina die Leute vor der Bühne aus den Augen, kommentiert humorvoll und mit einer Prise Ironie die parallel ablaufende "Party-Nacht" im Zelt nebenan, deren Beschallung bei den ruhigen Stücken teils zu hören ist. "Wir geben unser Bestes, um mit denen Schritt zu halten", verspricht sie und wechselt sicherheitshalber gleich mal die Akustik- gegen die E-Gitarre aus. Das Publikum muss auch was tun: "Can you sing?", ruft die Sängerin spitzbübisch in die Ränge und gibt den Text vor: "Right here – das ist alles, was Ihr singen müsst!" Das klappt hervorragend: Die Gäste im Ulmer Zelt geben zu "Copenhagen" einen hervorragenden Background-Chor ab. Zwischendurch spielt Tina Dico die ersten Noten von "Count to ten" an, jener Titel, durch den sie in Deutschland erst richtig bekannt wurde. Das Publikum johlt – und Tina bricht ab. "Das kommt später!"
Je später der Abend, desto rockiger die Musik. Zusammen mit ihrem Keyboarder Helgi Jonsson bekräftigt die Sängerin, die in ihrer dänischen Heimat längst ein Star und sogar vom Königshaus ausgezeichnet ist, dass Ulm "the best German crowd" sei, die sie bislang erleben durften. Zur Belohnung gibt es eine Premiere: Ein brandneues Duett, das die beiden zusammen geschrieben haben und nun erstmals gemeinsam singen. Das sind dann zwei Stimmen, zwei Gitarren und viel Gefühl in bester Singer-/Songwriter-Tradition. Das Publikum ist hingerissen, und in der aufgeheizten Atmosphäre gibt es jetzt Rock statt Pop, mit ausgiebigen Instrumentalsoli wie bei "Nobody's Man". Ein E-Gitarren-Solo läutet denn auch den Höhepunkt des Abends ein: "Count to ten" in fetter Instrumentierung – das begeistert. Bei "Paper Thin" schließlich wirft Tina endlich die Gitarre weg und tanzt mit dem Tambourin wie ein Derwisch über die Bühne. Keine Frage: Ohne Zugabe darf die Band nicht von der Bühne. Zum Ausklang ertönt etwas Ruhiges; statt E-Gitarren umrahmen Banjo und Tambourin den Gesang. Zwei Stunden haben Tina Dico und Band für beste Unterhaltung gesorgt – die Party im Zelt nebenan ist längst vergessen…
Weitere Veranstaltungen im Ulmer Zelt:
28.06.
Kim Wilde
29.06.
Karamelo Santo
30.06.
Manu Katché
01.07.
Colosseum
02.07.
Alphaville
jeweils Beginn um 20 Uhr
Wer Tina Dico live erleben will, hat in diesem Sommer noch mehrfach Gelegenheit. Besonders kuschlig dürfte es bei den Acoustic Summer Sounds in Herbolzheim werden – für dieses Konzert gibt es nur 130 Karten.
Tina Dicos weitere Tourdaten:
Schreibe einen Kommentar