Ob PATRICE jemals dass Hemingway Zitat „Niemand weiß, was in einem drin steckt, solange er nicht versucht hat, es herauszuholen“ gelesen hat ist zwar nicht bekannt, das er aber scheinbar zu der gleichen Erkenntnis gekommen ist, beweist sein Werdegang.
Am 09. Juli 1979 kommt er als Patrice Bart-Williams in Köln zur Welt. Am gleichen Tag stirbt sein Großvater und so erhält er zusätzlichen seinen zweiten Namen „Babatunde “ was im afrikanischen soviel bedeutet wie „die Wiedergeburt des Vaters“. Dass ihm damals schon eine ganz besondere Beziehung zu dem Wort „Vater“ quasi mit in die Wiege gelegt wurde, erkennt er erst Jahre später. Zunächst lernt er von seinem Vater Gaston Bart-Williams, ein Schriftsteller, Dichter und Journalist aus Sierra Leone, das Gefühl für Sprache und afrikanische Werte, während seine deutsche Mutter sein Interesse an Kunst und Musik fördert. Als Patrice 11 Jahre alt ist, stirbt sein Vater bei einem Bootsunglück und dieses Ereignis wird zum Wendepunkt in seinem Leben. In der Tasche ein Stipendium geht er an den Bodensee ins Internat Schloss Salem . Doch mit seiner rebellischen Art und seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Autorität eckt er an. Besonders der Rektor ist bemüht den Schüler, der im Gegensatz zu den anderen nicht aus reichem Hause kommt, schnellstmöglich wieder loszuwerden. Was ihm auch teilweise gelingt, denn Patrice muss zwischenzeitlich die Schule wegen Fehlverhaltens verlassen, kehrt jedoch zwei Jahre später zurück und macht sein Abitur. Besonders in dieser Zeit wird die Musik zu einem Ventil und mit 16 stellt er seine bis dahin geschriebenen Songs erstmals dem Produzenten Matthias Arfmann in Hamburg vor. Von da an geht alles sehr schnell. Die erste CD wird in den Ferien produziert und sorgt nicht nur in Deutschland für Aufmerksamkeit, sondern vor allem auch in Frankreich. Es folgt die Europatour von Lauryn Hill, die er als Support begleitet und sich damit auch Live einen Namen macht.
Mittlerweile ist aus dem Rebell von damals ein Musiker mit eigener musikalischer Handschrift geworden, der seine Musik liebt und lebt. Seine Mischung aus Reggae, Soul, Hip Hop, Blues, Folk und Blue Funk , ist nicht nur individuell, sondern auch nicht vergleichbar, denn ein „Pendant“ findet sich bei allem Schubladendenken hierfür nicht. Wenn er es selber kategorisieren müsste, würde er „Black Singer/Songwriting“ wählen, mit konzentriertem Augenmerk auf die Texte und die damit verbundenen Statements , die auch für sein eigenes Leben gültig sind. Sozusagen eine kosmopolitische Mischung aus europäischer und afrikanischer Musik , in der sich seine Individualität widerspiegelt. Denn während sich die Reggaeszene auf Jamaika fixiert, bezieht sich Patrice auf seine afrikanischen Wurzeln. So gehen seine Songs weit über geläufige Reggaekonventionen hinaus und verweisen auf die vielfältigen Einflüsse einer musikalischen Sozialisation, die geprägt ist vom afrikanisch-bildungsbürgerlichen Selbstverständnis seines Vaters. Die besondere Beziehung, die sein Vater zu seinem Heimatland hatte, wächst auch in Patrice und ist heute zu einem wesentlichen Teil geworden. „Es ist wahrscheinlich das schönste Land was ich kenne. Die Hauptstadt Freetown wird ihrem Namen gerecht – alles ist möglich. Sierra Leone versteht mich als ihren bekanntesten, internationalen Künstler und das macht die Leute stolz“. Doch nicht nur die familiäre Nähe zu diesem Land ist für Patrice wichtig, sondern auch die Möglichkeit mit Engagement den Menschen etwas zurück zu geben „Meine Share-Ity Sierra Di Lion Trust Fund“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Schule in Freetown zu bauen, die ‚Freetown School Of Arts’ . Der Architekt hat für das Model dieser Schule sogar den Daimler-Chrystler Architekturpreis gewonnen.“
Ein anderes Engagement verknüpft sich auch mit seiner prägenden Vater-Beziehung, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht. Seit drei Jahren ist er selbst Vater eines kleinen Sohnes und damit wuchs auch sein Verständnis für die Jugend. „Es ist schon interessant, man lernt erst beim älter werden, wie viel Einfluss die Eltern auf einen hatten. Aber vor allem lernt man am meisten von den Kindern, besonders über sich selbst“. Daher ist es für ihn wichtig, sich besonders in dieser Richtung zu engagieren. „In meinem Studio werden junge Leute angelernt und werden mit den Facetten der Tontechnik und der Produktion vertraut gemacht. Junge Talente werden gefördert und bekommen unverbindlich die Möglichkeit, im Studio aufzunehmen.“ Es mag sein, das er sich dadurch an seine eigene Zeit erinnert, als er selber die Hilfestellungen bekam die es ihm ermöglichten, sein Ziel zu erreichen. Doch vor allem glaubt er an die Kraft des Individuums und dazu gehört nicht nur Wünsche und Ziele zu erreichen, sondern auch genug Courage zu haben, sie nach außen zu vertreten.
D ass dies nicht nur eine leere Phrase ist beweist er sehr eindrucksvoll am 24. Juli diesen Jahres in Berlin. Vor mehr als 200.000 Menschen spielt er an der Siegessäule vor der Rede des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama. Obwohl ihm natürlich bewusst ist, das es nicht unproblematisch ist in einem politischen Kontext als Musiker aufzutreten, hat er sich durchaus im Vorfeld schon seine Gedanken dazu gemacht. „Obama ist jemand, mit dem bis vor kurzem noch niemand gerechnet hat. Wie auch ich, repräsentiert er eine neue Form von Kultur und wie auch ich, ist er das neue ungewöhnliche Gesicht eines Landes und poliert dessen Image im Ausland auf. Er mobilisiert viele Leute die sonst nicht wählen gehen würden und gibt ihnen den Glauben an die Politik zurück. Er steht für Veränderung und Progressivität und allein die Möglichkeit, dass ein Afroamerikaner Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte, ist eine große Bereichung für die ganze Welt.“ Doch er bleibt auch Realist. „Wir müssen abwarten, was er mit seinen guten Voraussetzungen macht. Denn am Ende des Tages ist er Politiker und macht Wahlkampf. Und dabei heiligt leider nach wie vor der Zweck die Mittel. Ich spiele nicht zur Unterstützung eines Walhlkampfes sondern für die Leute. Meine Texte stehen für sich und ich glaube mehr an die Macht von Musik, als die von Politik. Ich wäre gerne der Obama mit Gitarre , dann wäre auf jeden Fall ein Wechsel am Start.“
Damit zeigt Patrice nicht nur eine globale Denkensweise, sondern lebt diese auch. So ist er schon lange der Kleinstadt entwachsen und hat seine Erfahrungen auf der ganzen Welt gesammelt. „Ich habe schon immer da gelebt, wo mich die Musik hinführte. Für mein erstes Album bin ich nach Hamburg gezogen, zwischendurch lebte ich in Paris und nun in New York . Besonders NY ist wirklich kosmopolitisch, denn ich lerne dort mehr und sehe mehr Möglichkeiten. Man findet einen anderen Zugang und wenn ich mich standörtlich neu orientiere, bin ich meistens in Kerpen.“
Wo es ihn als nächste hin verschlägt wird sich zeigen, aber seine kosmopolitische Einstellung und seine individuelle Herangehensweise an jede neue Herausforderung zeigt, dass es notwendig ist sich von Zeit zu Zeit neu zu orientieren. Denn „Nichts ist so stark, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“. (Victor Hugo, französischer Schriftsteller).
Website: www.patriceonline.net
Patrice – Dove of peace (Single-Vö:14. November 2008)
Quelle: voll:kontakt
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