Das zweite Album, die zweite Tour: Thomas Godoj und seine Band stürmen wieder Deutschlands Hallen. Im Gepäck haben die sechs Musiker vorwiegend neues Songmaterial, aber auch Klassiker aus früheren Zeiten. Statt englischem Pop beherrscht nun deutscher Rock die Konzertbühne.
Stuttgart. Wie schon bei der vergangenen Tour beweist Thomas Godoj ein gutes Händchen bei der Auswahl des Aufheizers. Duncan Townsend ist Engländer mit Leib und Seele. Nur mit seiner Stimme, der Akustik-Gitarre und dem unnachahmlich charmanten britischen Humor hat der Wahl-Hamburger das Publikum schon bei den ersten Takten fest im Griff – das Volk hat Partylaune. Eine knappe halbe Stunde lacht, singt und feiert die Menge und erfährt dabei unter anderem, dass die deutschen Frauen der Fluch des englischen Gentlemans sind. Tja, Pech, Herr Townsend, dann räumen Sie eben das Feld und überlassen die deutschen Ladies dem Hauptact des Abends…
Mit einem Intro zum flotten Opener „Stückchen Ewigkeit“ läutet die Band ihren Auftritt ein. In diesem Moment scheint es, als hätte sich nichts geändert, seit Thomas Godoj vor fast genau einem Jahr ebenfalls hier im LKA aufgetreten ist: Die Menge kreischt, klatscht, stampft begeistert wie eh und je. Doch es gibt Unterschiede zur ersten Tour: Das Liedgut hat sich stark verändert; der Nr.-1-Hit „Love is you“ zum Beispiel ist sang- und klanglos unter den Tisch gefallen, ohne dass jemand nach seinem Verbleib gefragt hätte. An seine Stelle getreten ist das Gute-Laune-Stück „Nicht allein“, das im Gegensatz zur CD-Version live recht rockig rüberkommt und zum Mitklatschen auffordert. Fremdkomponierte Stücke wie „I dont’t feel the same“ oder „Not the only one“ wurden ersetzt durch das autobiographische „Schnee von gestern“ und die nachdenkliche Rockballade „Uhr ohne Stunden“, die Wiedererkennungswert und Chartpotential besitzt.
Ebenfalls verändert hat sich die Männerquote im Publikum: Wo im vergangenen Jahr eher vereinzelt mitgeschleppte Nachfahren Adams verhalten Beifall spendeten, tummelt sich nun ein nicht mehr zu übersehender Anteil des starken Geschlechts in den Reihen. Und wie auf jedem Konzert wird vor allem in den ersten Reihen richtig mitgerockt, während sich auf den hinteren Rängen doch die charakterlichen Unterschiede der Zuschauer bemerkbar machen. Da ist zum einen der „stille Genießer“, der unmerklich mit den Füßen wippt und leise den Text mitsummt, oder der „betont Desinteressierte“ (meist männlich), der lieber sein Bierchen trinkt und nur gelegentlich cool zur Bühne schaut. Ein paar Reihen weiter findet sich der „Poger“, der voller Elan den Kopf wirbelt zu den Klängen von „Notizen“ oder „Liebe zur Sonne“. Der „Filmer“ (meist weiblich) hingegen hält sich vom „Poger“ lieber fern, um die Aufnahmen nicht versehentlich zu verwackeln.
Die rund 900 Gäste im LKA schwingen die Arme in die Höhe beim Klassiker „Autopilot“ und tragen Thomas Godoj zu „Let it be“ per Stage Dive durch die Halle. Diesem geht auch in der Horizontalen nicht die Puste aus. „Ich bin kein Star!“, ruft er an diesem Abend irgendwann fröhlich in die Menge, „und ihr braucht mich auch nicht rauszuholen!“ Keine Frage – dem Recklinghäuser und seiner Band gefällt es auf der Bühne; sie scheint ihr zweites Zuhause zu sein. Nur einmal wird es ruhig. Als zu einem Instrumental-Intro harte Fakten zum Thema Kindesmissbrauch über die Leinwand laufen, verstummt die Menge. Während des anschließenden Stücks „Winterkinder“, das die Thematik schonungslos, aber niemals voyeuristisch aufgreift, lauscht das Publikum andächtig, nimmt die Botschaft auf und an. Auch die Band verharrt nahezu statisch auf der in hartes, weiß-grünes Licht getauchten Bühne.
Thomas Godoj ist ein Kämpfer. Er weiß, dass Erfolg nicht immer bleibt, dass man sich Respekt und Anerkennung beim Publikum und den Medien immer wieder aufs Neue erspielen muss. Dass ein Künstler nicht stagnieren darf, wenn er vorankommen will. Er hat eine starke Band im Rücken und den Willen, sich zu behaupten. Im LKA hat er an diesem Abend den Respekt des Publikums gewonnen – auch nach mehreren Zugaben lassen die Leute die Band kaum von der Bühne.
Thomas Godoj on Tour:
15.12.09 Hamburg/Docks
16.12.09 Berlin/Postbahnhof
17.12.09 Mannheim/Capitol
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