Lange haben sie an ihrem ersten Album gefeilt – jetzt wird die Sache langsam Ernst für die Deutschrock-Band „Tiefer“ aus dem Großraum Köln. Die fünf Musiker, die alle über jahrelange Bühnenerfahrung verfügen und gleich mit mehreren Sängern und Songwritern aufwarten können, haben sich mit dem „Tiefer“-Projekt einen lang gehegten Traum erfüllt: Ihre eigene Kreativität auszuleben – und das ohne Schubladendenken, ohne die Grenzen zwischen Rock, Pop oder auch mal Rap zu beachten. Herausgekommen sind Songs, die Laune machen, mal reinen Spaß bringen, mal zum Nachdenken anregen, aber immer unterhaltsam sind. Drei der fünf Bandmitglieder – Gitarrist René Lipps, Bassist Bonny Assan und Schlagzeuger Olli Schmitz, genannt Oz – haben sich die Zeit für ein ausführliches Gespräch mit Musiktipps 24 genommen. Wer gerne mal hinter die Kulissen des Musikgeschäfts schaut, erfährt hier auch eine Menge darüber, wie eine Platte entsteht. Und wenn die Drei erzählen, merkt man schnell: Die Chemie passt. Jetzt fehlt nur noch ein ordentlicher Plattenvertrag, dann heißt es wohl: „Deutschland geht Tiefer.“
Musiktipps24: Wer steckt hinter Tiefer? Welche Erfahrungen bringt Ihr in die Band ein? Ihr habt ja alle schon vorher Musik gemacht…
René: Wir sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der sowohl alters- als auch interessenmäßig weit auseinander geht. Da bringt natürlich jeder seine eigene Persönlichkeit mit. Bonny, Oz und ich haben zusammen schon bei „Bonk“ gespielt, den Sebastian kennen wir erst seit 2 ½ Jahren; den hat man kennen- und lieben gelernt. (lacht) Phil ist durch Zufall zu uns gestoßen; das war eigentlich gar nicht geplant.
Ihr Drei kennt Euch noch von Eurer alten Gruppe „Bonk“. Tragt Ihr viel von dieser Zeit in das neue Projekt?
Oz: Nein – man kann wirklich sagen, dass dieses Projekt völlig abgekoppelt ist von Bonk, zwar nicht personell, aber inhaltlich. Die Musik ist in eine völlig andere Richtung gegangen, ist auch reifer geworden, wie ich finde.
René: In den vergangenen zweieinhalb Jahren, als wir mit Thomas Godoj unterwegs waren, ist der musikalische Horizont noch erweitert worden, und das Ganze hat sich halt in eine andere Richtung entwickelt. Man stellt sich dann bei einem neuen Projekt die Frage: Wird es anders klingen als das, was man früher gemacht hat? Es war natürlich fantastisch, dass uns Phil über den Weg lief, um das „Bonken“ komplett abzuhaken, denn keiner von uns wollte etwas Altes neu aufleben lassen. Wir wollten wirklich ganz gezielt das machen, worauf wir Lust haben. Entstanden ist „Tiefer“ während einer Tour. Ich hatte meinen Rechner mit alten Bonk-Songs dabei. Sepp kam dazu und sagte: „Ach, sowas würd ich auch mal gerne machen!“ Das war der kleine Stein, der ins Rollen kam. Ein Anruf bei Oz genügte, und er war dabei.
Bonny: Wir hatten eine unglaublich kreative Phase. René und ich haben hat ganz viele Songs geschrieben, die teils auch für Thomas gedacht waren. Aber jeder Musiker hat viel musikalische Energie, und die geht nicht nur in eine, sondern in ganz viele verschiedene Richtungen. Um das richtig zu verstehen: Die Zeit mit Thomas hat mich zwar beeinflusst, aber das waren jetzt nur zweieinhalb Jahre – die anderen 37 Jahre wurde ich anders beeinflusst. Und diese zweieinhalb Jahre waren sicher nicht der ausschlaggebende Punkt, dass es jetzt Tiefer gibt. Das war nur eine weitere Facette.
Viele Bands spezialisieren sich auf ein Genre, beispielsweise Rock, Pop, Jazz oder Metal. Euer Album ist eine ziemlich wilde Mischung, querbeet. Wollt Ihr verschiedene Facetten ausleben; kann man sagen, dass eine bestimmte Richtung einem bestimmten Musiker zugeordnet werden kann?
(bei dieser Frage prügeln sich die Drei fast ums Mikro)
Oz: Nein. Genau das ist das Schöne, dass man auch innerhalb der Songs nicht festlegen kann, wer sie geschrieben hat. Es ist einfach eine hammermäßig gute Mischung. Wären alle zwölf Songs in derselben Richtung, hätte man vielleicht nach dem dritten genug. So denkt man eher: Neue Facette, neuer Sound, neuer Klang – aber immer die gleiche Band. Das ist ne Gratwanderung, ergibt aber eine schöne Bandbreite und bedient nicht nur eine Sache.
Bonny: Genau. Was mich persönlich an dieser Band so reizt, ist, dass sie sich nicht innerhalb eines Genres bewegt. Da wir mehrere Songwriter haben, hast Du da schon einen Unterschied, und wie Ozzy sagt: Innerhalb dieser Songwriter wechseln die Stile auch nochmal. Das birgt natürlich auch ein Gefahrenpotential – gerade die Musikbranche braucht ja immer ihre Schubladen, aber das ist uns mittlerweile scheißegal. Ich glaube, die Band funktioniert am besten, wenn wir das machen, was wir wollen. Wir finden wirklich jeden Song geil, und jeden Song lieben wir.
René: Das ist ein wichtiger Punkt. Ich habe ganz viel geschrieben, wie Bonny auch. Und dann hat man auf einmal das Gefühl: Oh, das finde ich gut, aber das kann ich nicht machen, das passt nicht. Als wir angefangen haben, waren wir gerade mit Thomas unterwegs. Das Ganze war sehr poppig, und da hatten wir Bock, wieder richtig zu rocken. So sind die ersten Songs entstanden wie „Anfang vom Ende“. Die waren stark rockig und metalmäßig angehaucht, auch „Der Außenseiter“ zum Beispiel. Dann ging es wieder in eine poppigere Richtung. Mit diesen ganzen Elementen kann man dann spielen und sie auch innerhalb des Songs ruhig mal mischen. Ich bezeichne das deshalb gerne als eine neue Art deutschen „Crossover“: einfach zu machen, worauf wir gerade Lust haben. Klar, es gibt diese Grenzen und Sparten, die halt gerne genutzt werden. Wenn jemand meint, er müsste uns da reinstopfen, dann wird er es ziemlich schwer haben. (lacht)
Kann man, wenn man so viele verschiedene Genres und Stile auf ein Album packt, überhaupt einen richtigen „Bandsound“ kreieren, an dem man die Gruppe erkennt?
Oz: Ja! Das erlebe ich bei den Aufnahmen. Z. B. ist der Sound, den ich jetzt als Schlagzeuger spiele, zwar von Song zu Song unterschiedlich, aber trotzdem sind es ja wir, immer die gleichen Leute, die da spielen.
Bonny: Gerade durch die Sänger in der Band entsteht so etwas wie eine Klammer, die das Ganze zusammenhält. Die Stimmen machen alles wieder zu einer Band – und die Art der Produktion, die René macht. Wir sind sehr froh, dass er das so gut kann. So klingt für mich jeder Song nach „Tiefer“.
René: Zumal wir mit zwei Leadgesängen arbeiten. Wir finden das interessant, und Phil als Hauptsänger geht super damit um. Ursprünglich war ich als Sänger eingeplant, aber dann haben wir Phil kennengelernt.
Oz: Er passte da rein, wir wollten ihn, und so hat sich die ganze Bande komplettiert. Und das Schöne ist eben: René macht den Background-Gesang bzw. singt auch Solo-Parts, aber wir haben mit Bonny und Sepp noch weitere zwei Sänger, die eben auch noch verschiedene Stimmen mitsingen können. Das ist der Hammer!
Olli „Oz“ Schmitz und René Lipps
Hört sich an, als ob dieses ganze Projekt „Tiefer“ nicht in festen Bahnen verläuft, sondern als ob Ihr bereit seid, Euch ständig zu verändern und Neues auszuprobieren.
Oz: Genau. Und das ist auch der Unterschied zu einer Rockband. Bonny oder René kommen z.B. mit einer Nummer, mit der man nicht gerechnet hat, auch Phil hat seine musikalischen Ideen, die völlig untypisch sind, die wir aber geil finden. Diese Mischung von allem, diese verschiedenen Farben innerhalb der Band machen Tiefer letztlich aus.
Arbeitet Ihr die Ideen zusammen aus, oder knallt Ihr die Songs fertig hin?
René: Wir probieren während des Aufnahmeprozesses viel rum. Zum Beispiel bei „Nicht wie Du“ – wenn man da die ursprüngliche Demo-Version hört… Der hat sich ganz anders entwickelt, weil Oz was ganz anderes gespielt hat, als Bonny eigentlich wollte. Ganz zum Schluss kommt ein englischer Rap, und keiner weiß, warum eigentlich, aber es ist einfach beim Aufnehmen so entstanden. (lacht)
Bonny: Und das ist auch wieder so ein Crossover in der Band. Früher, in den 90ern, war Crossover noch verpönt als eine Mischung aus verschiedenen Stilen wie Rock und Hiphop… Mittlerweile ist das kein Schimpfwort mehr. Es ist auch nicht mehr so wie früher, dass man sich im Proberaum trifft und rumjammt. Das Songwriting ist erwachsener geworden, insofern, dass natürlich sehr konkrete Songideen oder Songs schon da sind. Diese Idee wird dann komplettiert beim Aufnehmen, beim Produzieren: Da wird dann der Song draus.
René: Es gibt auch Unterschiede beim Musikmachen. Ich bin z.B. in erster Linie Gitarrist. Und wenn ich die Liebe zu meinem Instrument ausleben möchte, dann geh ich auf ne Session mit Oz und gebe Gas. Aber wenn es jetzt darum geht, Lieder zu machen, dann ist das eine ganz andere Geschichte. Da geht es nicht mehr darum, seine eigenen Belange am Instrument durchzusetzen. (volle Zustimmung von den anderen).
Aber wenn man für eine Live-Tour arbeitet, ist die Arbeit im Proberaum doch wieder wichtig, oder? Also Improvisationen einzuarbeiten oder am Live-Konzept zu feilen – hey, hier geben wir der Gitarre mehr Raum, machen ein Schlagzeug-Solo usw.?
Oz: Absolut richtig! Da versucht man natürlich auch, die Songs zu verändern. Teils, weil man sie live nicht immer 1:1 umsetzen kann. Dann verändern sich die Sachen, und es kommen Ideen dazu, auch damit der Zuhörer nicht unbedingt den Eindruck hat, original die Platte zu hören. Da könnte er sich auch zu Hause die CD anhören. Natürlich macht das Live-Feeling, am Instrument zu sitzen und in die Gesichter zu gucken, auch Bock, Gas zu geben und noch ein bisschen was auszupacken.
René: Das ist auch der Punkt, wo man als Band zusammenfindet. Das passiert im Proberaum, wobei es natürlich auch Diskussionen gibt. (lacht)
Wie geht Ihr mit Meinungsdifferenzen innerhalb der Band um?
René: Wenn wir Meinungsverschiedenheiten haben, diskutieren wir darüber. Wenn man so unterschiedlich ist wie wir, muss man das tun, sonst hat man gar keine Chance, zu bestehen. Manchmal sitzen wir vier oder fünf Stunden am Tisch und reden. Das war’s dann mit dem Aufnehmen, aber man hat einfach ein paar Punkte abgefrühstückt, über die man sprechen muss. Wir lernen uns gerade erst kennen, und dieser Prozess wird auch noch anhalten.
Kommen wir zu Eurem Maskottchen, dem „kleinen weißen Mann“. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?
Bonny: Ich bin ja im kreativen Bereich tätig, und die Idee flog mir einfach zu. Die Figur passt zu diesem etwas verrückten Flair, das wir haben. Sie fördert natürlich den Wiedererkennungswert, fügt sich nahtlos in den Schriftzug ein, und auch das Merchandising wird man ausschlachten können bis zum Geht-nicht-mehr… (lacht) Nein, Quatsch… Es passt einfach gut, es ist auch so wie mit dem Namen „Tiefer“, einer Idee von René. Man könnte sagen, wir möchten die Leute mit der Musik tiefer berühren, wir fühlen die Musik tief – und so hat jeder seine kleine Idee dazu, genau wie mit dem Männchen: Das sagt so viel aus, und jeder kann sich da reindenken.
Es soll also vor allem die Fantasie anregen?
Bonny: Genau – es passt zur Band, dass man sich etwas dabei denken kann. Und die Vielzahl der Gedanken, die da entstehen, sind auch eine Art Crossover… Meine ersten Gedanken bei dieser Puppe war dieses Bedrohliche, was wir aber natürlich überhaupt nicht sind – wir sind ja eine volksnahe Band… (lacht). Aber das Bedrohliche im Kontext zur Musik, und dass wir eigentlich auch positive Menschen sind – das passt einfach zu uns.
Wie haltet Ihr es mit dem Marketing – und wie wichtig ist das Internet dabei?
René: Es gibt ja den amerikanischen Spruch „No Reaction without Action“, und so ist es auch. Wenn man kommuniziert – via Facebook zum Beispiel -, kommunizieren die Leute zurück und bekommen auch Interesse an dem, was man macht. Das tut nicht weh und macht auch Spaß. Die Videos, die wir einstellen, sind ja meistens witzig; wir können drüber lachen und die Leute auch.
Oz: Heute hat man die ganzen Social Networks, um sich mit den Fans zu verbinden. Teilweise haben wir Kontakt zu Leuten in ganz Deutschland. Meistens fragen die Leute jetzt nach der Platte. Es ist natürlich schade, dass sich das etwas verzögert – aber es wird die beste Platte, die ich je gemacht habe! Ich glaube, da würden viele gerne mit uns tauschen.
Bonny: Das klingt sehr selbstbewusst und ist auch so gemeint, und ich kann mich dem nur anschließen. Wir finden das, was wir machen, wirklich gut. Ich bin stolz darauf, ein Teil dieser Band zu sein!
Zum Abschluss sollte jeder von Euch noch etwas über einen der Songs erzählen. Fangen wir mit René an: In „Anfang vom Ende“ hängen bedrohliche Wolken über dem Horizont der Menschheit, werden Ängste vor dem Weltuntergang in Worte gefasst. Die nukleare Katastrophe in Japan hat das Szenario bittere Realität werden lassen…
René: Fukushima ist mehr oder weniger die Spitze des Eisberges. Aber es fängt doch alles beim einzelnen Individuum an! Die üblichen Klischees wie z.B. für 500 Meter Weg das Auto benutzen oder doppelt verpackte Süssigkeiten sind immer noch so aktuell wie vor 20 Jahren. Über sechs Milliarden Menschen leben auf diesem Planeten, und ich denke, dass nicht ein Prozent ernsthaft Interesse an dessen Fortbestand hat! Ignoranz, Gier und Selbstzerstörung gehören nun mal genauso zu den Grundeigenschaften unserer Spezies wie Liebe und (vermeintliche) Intelligenz. Nach Fukushima wird Ökostrom nun zum großen Wort. Ich habe vor kurzer Zeit auch in solch einen Tarif gewechselt, bezahle nun ca. 3 Cent mehr pro KW-Stunde. Das macht bei einer Familie mit 4000 KW-Stunden Bedarf im Jahr ca. zehn Euro monatlich mehr…..und sind wir mal ehrlich: Der Großteil der Deutschen wird doch lieber beim „günstigen“ Strom bleiben! Der Anfang vom Ende ist der menschliche Fortschritt, der für unseren Planeten zugleich einen Schritt ins Verderben bedeutet. Etliche Staaten starten nun solidarisch große Hilfaktionen für Japan. Dafür bedarf es IMMER einer Katastrophe. Dass aber nach wie vor alle 3 Sekunden ein Kind an Armut stirbt…ja, das ist halt Alltag. Da braucht es diese weltweite Solidarität scheinbar nicht! Sowas ärgert mich, da ja scheinbar neben schon existierenden Hilfsorganisationen (Kindernothilfe usw.) weitere staatliche Ressourcen für Tragödien locker gemacht werden können. Ist der Armuts-Tod denn keine Tragödie? Wir versinken hier doch in unseren Luxusproblemchen und wortwörtlich auch in unseren Nahrungsmitteln….
Oz, erzähl uns etwas über „Nicht wie Du“…
Oz: Das mache ich gerne. Und zwar wegen der Entwicklung der Aufnahme vom Demo bis zum fertigen Song. Der Sound meines Drummings, des Sets, meines Schlagzeugs, die Art, wie ich das spiele, gefällt mir da wunderbar, weil es sehr groovy und flowy ist, und deshalb gefällt mir dieser Song – genau wie die Stimmen, die ich gigantisch finde.
Bonny: Ich möchte auch etwas zum Text sagen. Wir sind eine sehr positive Band. Ich mag auch nicht diese Filme, in denen der Held stirbt zum Schluss. Letztendlich sind einige Songs mit Augenzwinkern zu sehen. Viele Leute fragen, was der Refrain bei „Nicht wie Du“ bedeutet, weil er so verschachtelt ist. Wir sind alle Menschen, aber wir sind trotzdem auch total unterschiedlich; jeder hat eine eigene Geschichte. Der Text ist schon sehr kritisch; eigentlich sollte er noch viel härter sein, aber er ist jetzt ein bisschen positiver aufgelöst. Auch „Frei von Schuld“ hat eigentlich eine harte Message. Wir sind keine Witzband, keine Bloodhound Gang oder so, aber trotzdem bleiben wir positiv dabei, das ist uns total wichtig.
Tiefer (offizielles Bild), von links nach rechts: Bonny, Oz, Phil, René und Sebastian
Das Gespräch führte Cat.
Tiefer im Internet:
http://www.facebook.com/profile.php?id=100001391684297#!/tieferband
http://www.myspace.com/tieferband
Lange haben sie an ihrem ersten Album gefeilt – jetzt wird die Sache langsam Ernst für die Deutschrock-Band „Tiefer“ aus dem Großraum Köln. Die fünf Musiker, die alle über jahrelange Bühnenerfahrung verfügen und gleich mit mehreren Sängern und Songwritern aufwarten können, haben sich mit dem „Tiefer“-Projekt einen lang gehegten Traum erfüllt: Ihre eigene Kreativität auszuleben – und das ohne Schubladendenken, ohne die Grenzen zwischen Rock, Pop oder auch mal Rap zu beachten. Herausgekommen sind Songs, die Laune machen, mal reinen Spaß bringen, mal zum Nachdenken anregen, aber immer unterhaltsam sind. Drei der fünf Bandmitglieder – Gitarrist René Lipps, Bassist Bonny Assan und Schlagzeuger Olli Schmitz, genannt Oz – haben sich die Zeit für ein ausführliches Gespräch mit Musiktipps 24 genommen. Und wenn die Drei erzählen, merkt man schnell: Die Chemie passt. Jetzt fehlt nur noch ein ordentlicher Plattenvertrag, dann heißt es wohl: „Deutschland geht Tiefer.“
Wer steckt hinter Tiefer? Welche Erfahrungen bringt Ihr in die Band ein? Ihr habt ja alle schon vorher Musik gemacht…
René: Wir sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der sowohl alters- als auch interessenmäßig weit auseinander geht. Da bringt natürlich jeder seine eigene Persönlichkeit mit. Bonny, Oz und ich haben zusammen schon bei „Bonk“ gespielt, den Sebastian kennen wir erst seit 2 ½ Jahren; den hat man kennen- und lieben gelernt. (lacht) Phil ist durch Zufall zu uns gestoßen; das war eigentlich gar nicht geplant.
Wie geht Ihr mit Meinungsdifferenzen innerhalb der Band um?
René: Wenn wir Meinungsverschiedenheiten haben, diskutieren wir darüber. Wenn man so unterschiedlich ist wie wir, muss man das tun, sonst hat man gar keine Chance, zu bestehen. Manchmal sitzen wir vier oder fünf Stunden am Tisch und reden. Das war’s dann mit dem Aufnehmen, aber man hat einfach ein paar Punkte abgefrühstückt, über die man sprechen muss. Wir lernen uns gerade erst kennen, und dieser Prozess wird auch noch anhalten.
Ihr Drei kennt Euch noch von Eurer alten Gruppe „Bonk“. Tragt Ihr viel von dieser Zeit in das neue Projekt?
Oz: Nein – man kann wirklich sagen, dass dieses Projekt völlig abgekoppelt ist von Bonk, zwar nicht personell, aber inhaltlich. Die Musik ist in eine völlig andere Richtung gegangen, ist auch reifer geworden, wie ich finde.
René: In den vergangenen zweieinhalb Jahren, als wir mit Thomas Godoj unterwegs waren, ist der musikalische Horizont noch erweitert worden, und das Ganze hat sich halt in eine andere Richtung entwickelt. Man stellt sich dann bei einem neuen Projekt die Frage: Wird es anders klingen als das, was man früher gemacht hat? Es war natürlich fantastisch, dass uns Phil über den Weg lief, um das „Bonken“ komplett abzuhaken, denn keiner von uns wollte etwas Altes neu aufleben lassen. Wir wollten wirklich ganz gezielt das machen, worauf wir Lust haben. Entstanden ist „Tiefer“ während einer Tour. Ich hatte meinen Rechner mit alten Bonk-Songs dabei. Sepp kam dazu und sagte: „Ach, sowas würd ich auch mal gerne machen!“ Das war der kleine Stein, der ins Rollen kam. Ein Anruf bei Oz genügte, und er war dabei.
Bonny: Wir hatten eine unglaublich kreative Phase. René und ich haben hat ganz viele Songs geschrieben, die teils auch für Thomas gedacht waren. Aber jeder Musiker hat viel musikalische Energie, und die geht nicht nur in eine, sondern in ganz viele verschiedene Richtungen. Um das richtig zu verstehen: Die Zeit mit Thomas hat mich zwar beeinflusst, aber das waren jetzt nur zweieinhalb Jahre – die anderen 37 Jahre wurde ich anders beeinflusst. Und diese zweieinhalb Jahre waren sicher nicht der ausschlaggebende Punkt, dass es jetzt Tiefer gibt. Das war nur eine weitere Facette.
Viele Bands spezialisieren sich auf ein Genre, beispielsweise Rock, Pop, Jazz oder Metal. Euer Album ist eine ziemlich wilde Mischung, querbeet. Wollt Ihr verschiedene Facetten ausleben; kann man sagen, dass eine bestimmte Richtung einem bestimmten Musiker zugeordnet werden kann?
(bei dieser Frage prügeln sich die Drei fast ums Mikro)
Oz: Nein. Genau das ist das Schöne, dass man auch innerhalb der Songs nicht festlegen kann, wer sie geschrieben hat. Es ist einfach eine hammermäßig gute Mischung. Wären alle zwölf Songs in derselben Richtung, hätte man vielleicht nach dem dritten genug. So denkt man eher: Neue Facette, neuer Sound, neuer Klang – aber immer die gleiche Band. Das ist ne Gratwanderung, ergibt aber eine schöne Bandbreite und bedient nicht nur eine Sache.
Bonny: Genau. Was mich persönlich an dieser Band so reizt, ist, dass sie sich nicht innerhalb eines Genres bewegt. Da wir mehrere Songwriter haben, hast Du da schon einen Unterschied, und wie Ozzy sagt: Innerhalb dieser Songwriter wechseln die Stile auch nochmal. Das birgt natürlich auch ein Gefahrenpotential – gerade die Musikbranche braucht ja immer ihre Schubladen, aber das ist uns mittlerweile scheißegal. Ich glaube, die Band funktioniert am besten, wenn wir das machen, was wir wollen. Wir finden wirklich jeden Song geil, und jeden Song lieben wir.
René: Das ist ein wichtiger Punkt. Ich habe ganz viel geschrieben, wie Bonny auch. Und dann hat man auf einmal das Gefühl: Oh, das finde ich gut, aber das kann ich nicht machen, das passt nicht. Als wir angefangen haben, waren wir gerade mit Thomas unterwegs. Das Ganze war sehr poppig, und da hatten wir Bock, wieder richtig zu rocken. So sind die ersten Songs entstanden wie „Anfang vom Ende“. Die waren stark rockig und metalmäßig angehaucht, auch „Der Außenseiter“ zum Beispiel. Dann ging es wieder in eine poppigere Richtung. Mit diesen ganzen Elementen kann man dann spielen und sie auch innerhalb des Songs ruhig mal mischen. Ich bezeichne das deshalb gerne als eine neue Art deutschen „Crossover“: einfach zu machen, worauf wir gerade Lust haben. Klar, es gibt diese Grenzen und Sparten, die halt gerne genutzt werden. Wenn jemand meint, er müsste uns da reinstopfen, dann wird er es ziemlich schwer haben. (lacht)
Kann man, wenn man so viele verschiedene Genres und Stile auf ein Album packt, überhaupt einen richtigen „Bandsound“ kreieren, an dem man die Gruppe erkennt?
Oz: Ja! Das erlebe ich bei den Aufnahmen. Z. B. ist der Sound, den ich jetzt als Schlagzeuger spiele, zwar von Song zu Song unterschiedlich, aber trotzdem sind es ja wir, immer die gleichen Leute, die da spielen.
Bonny: Gerade durch die Sänger in der Band entsteht so etwas wie eine Klammer, die das Ganze zusammenhält. Die Stimmen machen alles wieder zu einer Band – und die Art der Produktion, die René macht. Wir sind sehr froh, dass er das so gut kann. So klingt für mich jeder Song nach „Tiefer“.
René: Zumal wir mit zwei Leadgesängen arbeiten. Wir finden das interessant, und Phil als Hauptsänger geht super damit um. Ursprünglich war ich als Sänger eingeplant, aber dann haben wir Phil kennengelernt.
Oz: Er passte da rein, wir wollten ihn, und so hat sich die ganze Bande komplettiert. Und das Schöne ist eben: René macht den Background-Gesang bzw. singt auch Solo-Parts, aber wir haben mit Bonny und Sepp noch weitere zwei Sänger, die eben auch noch verschiedene Stimmen mitsingen können. Das ist der Hammer!
Hört sich an, als ob dieses ganze Projekt „Tiefer“ nicht in festen Bahnen verläuft, sondern als ob Ihr bereit seid, Euch ständig zu verändern und Neues auszuprobieren.
Oz: Genau. Und das ist auch der Unterschied zu einer Rockband. Bonny oder René kommen z.B. mit einer Nummer, mit der man nicht gerechnet hat, auch Phil hat seine musikalischen Ideen, die völlig untypisch sind, die wir aber geil finden. Diese Mischung von allem, diese verschiedenen Farben innerhalb der Band machen Tiefer letztlich aus.
Arbeitet Ihr die Ideen zusammen aus, oder knallt Ihr die Songs fertig hin?
René: Wir probieren während des Aufnahmeprozesses viel rum. Zum Beispiel bei „Nicht wie Du“ – wenn man da die ursprüngliche Demo-Version hört… Der hat sich ganz anders entwickelt, weil Oz was ganz anderes gespielt hat, als Bonny eigentlich wollte. Ganz zum Schluss kommt ein englischer Rap, und keiner weiß, warum eigentlich, aber es ist einfach beim Aufnehmen so entstanden. (lacht)
Bonny: Und das ist auch wieder so ein Crossover in der Band. Früher, in den 90ern, war Crossover noch verpönt als eine Mischung aus verschiedenen Stilen wie Rock und Hiphop… Mittlerweile ist das kein Schimpfwort mehr. Es ist auch nicht mehr so wie früher, dass man sich im Proberaum trifft und rumjammt. Das Songwriting ist erwachsener geworden, insofern, dass natürlich sehr konkrete Songideen oder Songs schon da sind. Diese Idee wird dann komplettiert beim Aufnehmen, beim Produzieren: Da wird dann der Song draus.
René: Es gibt auch Unterschiede beim Musikmachen. Ich bin z.B. in erster Linie Gitarrist. Und wenn ich die Liebe zu meinem Instrument ausleben möchte, dann geh ich auf ne Session mit Oz und gebe Gas. Aber wenn es jetzt darum geht, Lieder zu machen, dann ist das eine ganz andere Geschichte. Da geht es nicht mehr darum, seine eigenen Belange am Instrument durchzusetzen. (volle Zustimmung von den anderen).
Aber wenn man für eine Live-Tour arbeitet, ist die Arbeit im Proberaum doch wieder wichtig, oder? Also Improvisationen einzuarbeiten oder am Live-Konzept zu feilen – hey, hier geben wir der Gitarre mehr Raum, machen ein Schlagzeug-Solo usw.?
Oz: Absolut richtig! Da versucht man natürlich auch, die Songs zu verändern. Teils, weil man sie live nicht immer 1:1 umsetzen kann. Dann verändern sich die Sachen, und es kommen Ideen dazu, auch damit der Zuhörer nicht unbedingt den Eindruck hat, original die Platte zu hören. Da könnte er sich auch zu Hause die CD anhören. Natürlich macht das Live-Feeling, am Instrument zu sitzen und in die Gesichter zu gucken, auch Bock, Gas zu geben und noch ein bisschen was auszupacken.
René: Das ist auch der Punkt, wo man als Band zusammenfindet. Das passiert im Proberaum, wobei es natürlich auch Diskussionen gibt. (lacht)
Kommen wir zu Eurem Maskottchen, dem „kleinen weißen Mann“. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?
Bonny: Ich bin ja im kreativen Bereich tätig, und die Idee flog mir einfach zu. Die Figur passt zu diesem etwas verrückten Flair, das wir haben. Sie fördert natürlich den Wiedererkennungswert, fügt sich nahtlos in den Schriftzug ein, und auch das Merchandising wird man ausschlachten können bis zum Geht-nicht-mehr… (lacht) Nein, Quatsch… Es passt einfach gut, es ist auch so wie mit dem Namen „Tiefer“, einer Idee von René. Man könnte sagen, wir möchten die Leute mit der Musik tiefer berühren, wir fühlen die Musik tief – und so hat jeder seine kleine Idee dazu, genau wie mit dem Männchen: Das sagt so viel aus, und jeder kann sich da reindenken.
Es soll also vor allem die Fantasie anregen?
Bonny: Genau – es passt zur Band, dass man sich etwas dabei denken kann. Und die Vielzahl der Gedanken, die da entstehen, sind auch eine Art Crossover… Meine ersten Gedanken bei dieser Puppe war dieses Bedrohliche, was wir aber natürlich überhaupt nicht sind – wir sind ja eine volksnahe Band… (lacht). Aber das Bedrohliche im Kontext zur Musik, und dass wir eigentlich auch positive Menschen sind – das passt einfach zu uns.
Wie haltet Ihr es mit dem Marketing – und wie wichtig ist das Internet dabei?
René: Es gibt ja den amerikanischen Spruch „No Reaction without Action“, und so ist es auch. Wenn man kommuniziert – via Facebook zum Beispiel -, kommunizieren die Leute zurück und bekommen auch Interesse an dem, was man macht. Das tut nicht weh und macht auch Spaß. Die Videos, die wir einstellen, sind ja meistens witzig; wir können drüber lachen und die Leute auch.
Oz: Heute hat man die ganzen Social Networks, um sich mit den Fans zu verbinden. Teilweise haben wir Kontakt zu Leuten in ganz Deutschland. Meistens fragen die Leute jetzt nach der Platte. Es ist natürlich schade, dass sich das etwas verzögert – aber es wird die beste Platte, die ich je gemacht habe! Ich glaube, da würden viele gerne mit uns tauschen.
Bonny: Das klingt sehr selbstbewusst und ist auch so gemeint, und ich kann mich dem nur anschließen. Wir finden das, was wir machen, wirklich gut. Ich bin stolz darauf, ein Teil dieser Band zu sein!
Zum Abschluss sollte jeder von Euch noch etwas über einen der Songs erzählen. Fangen wir mit René an: In „Anfang vom Ende“ hängen bedrohliche Wolken über dem Horizont der Menschheit, werden Ängste vor dem Weltuntergang in Worte gefasst. Die nukleare Katastrophe in Japan hat das Szenario bittere Realität werden lassen…
Fukushima ist mehr oder weniger die Spitze des Eisberges. Aber es fängt doch alles beim einzelnen Individuum an! Die üblichen Klischees wie z.B. für 500 Meter Weg das Auto benutzen oder doppelt verpackte Süssigkeiten sind immer noch so aktuell wie vor 20 Jahren. Über sechs Milliarden Menschen leben auf diesem Planeten, und ich denke, dass nicht ein Prozent ernsthaft Interesse an dessen Fortbestand hat! Ignoranz, Gier und Selbstzerstörung gehören nun mal genauso zu den Grundeigenschaften unserer Spezies wie Liebe und (vermeintliche) Intelligenz. Nach Fukushima wird Ökostrom nun zum großen Wort. Ich habe vor kurzer Zeit auch in solch einen Tarif gewechselt, bezahle nun ca. 3 Cent mehr pro KW-Stunde. Das macht bei einer Familie mit 4000 KW-Stunden Bedarf im Jahr ca. zehn Euro monatlich mehr…..und sind wir mal ehrlich: Der Großteil der Deutschen wird doch lieber beim „günstigen“ Strom bleiben! Der Anfang vom Ende ist der menschliche Fortschritt, der für unseren Planeten zugleich einen Schritt ins Verderben bedeutet. Etliche Staaten starten nun solidarisch große Hilfaktionen für Japan. Dafür bedarf es IMMER einer Katastrophe. Dass aber nach wie vor alle 3 Sekunden ein Kind an Armut stirbt…ja, das ist halt Alltag. Da braucht es diese weltweite Solidarität scheinbar nicht! Sowas ärgert mich, da ja scheinbar neben schon existierenden Hilfsorganisationen (Kindernothilfe usw.) weitere staatliche Ressourcen für Tragödien locker gemacht werden können. Ist der Armuts-Tod denn keine Tragödie? Wir versinken hier doch in unseren Luxusproblemchen und wortwörtlich auch in unseren Nahrungsmitteln….
Oz, erzähl uns etwas über „Nicht wie Du“…
Oz: Das mache ich gerne. Und zwar wegen der Entwicklung der Aufnahme vom Demo bis zum fertigen Song. Der Sound meines Drummings, des Sets, meines Schlagzeugs, die Art, wie ich das spiele, gefällt mir da wunderbar, weil es sehr groovy und flowy ist, und deshalb gefällt mir dieser Song – genau wie die Stimmen, die ich gigantisch finde.
Bonny: Ich möchte auch etwas zum Text sagen. Wir sind eine sehr positive Band. Ich mag auch nicht diese Filme, in denen der Held stirbt zum Schluss. Letztendlich sind einige Songs mit Augenzwinkern zu sehen. Viele Leute fragen, was der Refrain bei „Nicht wie Du“ bedeutet, weil er so verschachtelt ist. Wir sind alle Menschen, aber wir sind trotzdem auch total unterschiedlich; jeder hat eine eigene Geschichte. Der Text ist schon sehr kritisch; eigentlich sollte er noch viel härter sein, aber er ist jetzt ein bisschen positiver aufgelöst. Auch „Frei von Schuld“ hat eigentlich eine harte Message. Wir sind keine Witzband, keine Bloodhound Gang oder so, aber trotzdem bleiben wir positiv dabei, das ist uns total wichtig.
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